CAS Landadministration in Kolumbien

Es war kalt am Bahnhof, als ich auf den Zug zum Flughafen wartete. Es fühlte sich noch etwas kälter an, als ich gedanklich die Herausforderungen der folgenden Wochen aufzuzählen begann. Nach einem ruhigen Flug, landet ich am Abend in Bogotá und ein Taxi fuhr mich zum Hotel. Zumindest war mir das Hotel von einer früheren Reise bekannt. Dann war er da: der Tag der Eröffnung von unserem Zertifikatslehrgang (CAS) in Landadministration in Kolumbien. Die Initiierung einer Zusammenarbeit zwischen dem Institut Geomatik der FHNW in Muttenz, der Universidad Distrital (UD) und der Universidad Sergio Arboleda (USA) in Bogotá sowie dem geographischen Institut Kolumbiens (IGAC) mit dem Ziel ein CAS in Landadministration gemeinsam zu entwickeln und organisieren ist gelungen. Das vielseitige und interessante Kursprogramm wurde mit Einbezug verschiedener lokalen Institutionen festgelegt, welche zurzeit aktiv an der Modernisierung der Landadministration in Kolumbien mitwirken. Dieser Prozess wird von der aktuellen Regierung stark vorangetrieben, weil es sich um einen zentralen Punkt des Friedensabkommens mit der FARC-Guerillas handelt. Grund für das grosse Interesse an unserem Kurs ist also viel mehr der Wunsch vieler Fachleute Kolumbiens sich im Bereich der Landadministration weiterzubilden um am Prozess mitwirken zu können, als die Zusammenarbeit mit einer Schweizer Hochschule. Die offen bekundete Kooperation zwischen den Universitäten und die angekündigte doppelte Zertifizierung vom Kurs durch die FHNW und die Partneruniversitäten, verlieh dem Kurs besondere Ansicht.

Ankündigung vom CAS

Am Freitag 24. Januar 2020 trafen alle Kursteilnehmende sowie die Vertreter der beteiligten Institutionen im Auditorium von IGAC ein. 25 Kursteilnehmende, welche die Zulassungsbedingungen für ein CAS nach FHNW-Standard erfüllten, nahmen in den vordersten Reihen Platz. Wohl ein Zeichen der hohen Erwartungen am Kurs. Die Eröffnungsrede wurde von einem Vertreter des Amtes für Raumplanung DNP (Departamento nacional de Planeacion) gehalten, welches seitens Regierung die Modernisierung der Landadministration begleitet. Die Vertreterin vom Schweizerischen Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, welches das Projekt finanziert, betonte die wichtige Rolle der Weiterbildung im aktuellen Prozess.
Natalia Mayorga Mora
Jefe Adjunta, Cooperación Económica y Desarrollo (SECO)
Oscar Gil
Coordinador técnico del crédito de catastro multipropósito en el Departamento Nacional de Planeación (DNP)


Die Vertreter der Partnerinstitutionen bedankten sich gegenseitig für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hiessen die Kursteilnehmende herzlich willkommen.



Dante Salvini, Projektleiter FHNW/IGEO

Während der anschliessenden Vorstellungsrunde der Teilnehmenden konnten wir erfahren, wie unterschiedlich ihr Werdegang war: Katasterwesen, Topograph/in, Geologe/in, Experte/in in Immobilienbewertung, Jurist/in, Politologe/in. Damit wurde uns klar, dass die Herausforderung der Dozierenden darin bestand den unterschiedlichen Voraussetzungen gerecht zu werden. Anderseits können wir sehr interessante Auseinandersetzung über zentrale Punkte erwarten, welche von verschiedenen Seiten beleuchtet werden können.
Der Einstieg in die Thematik der Landadministration machte Lorenz Jenni, mit einem Vortrag über die Rolle der Landadministration und seine gesellschaftlichen und politischen Implikationen mit eindrücklichen Beispielen aus der ganzen Welt.
Der darauffolgende Samstag galt als erster offizieller Unterrichtstag. Dabei ging es um die Geschichte des Katasters in Kolumbien seit der Kolonialzeit bis zu den leider gescheiterten Initiativen der letzten 100 Jahre eine funktionierende nationale Landadministration einzuführen. Der aktuelle Stand wurde von der juristischen Seite beschrieben. Insbesondere wurden die laufend aktualisierten Dekrete der Regierung erklärt, welche die Grundlagen liefern für die aktuelle Modernisierung.

Die Kursteilnehmenden des CAS Landadministration am ersten Unterrichtstag

Im Rahmen dieses CAS war es mir wichtig mich ebenfalls am Unterricht zu beteiligten. In der zweiten Kurssession habe ich mich für das Unterrichten der Grundlagen in Geodäsie und Ausgleichungsrechnung zur Verfügung gestellt. Da diese Session eine Woche später stattfand, hatte ich etwas Zeit, um mich darauf vorzubereiten und um mein technisches Spanisch aufzubessern. Die Zeit verging sehr schnell: täglich fand entweder eine Sitzung oder ein Treffen mit unseren Projektpartnern, dem Geldgeber oder den Dozierenden statt. Für eine gezielte Stadtführung reichte es nicht; ich hatte aber immer wieder in den Gesprächen die Gelegenheit Neues über die Stadt, das Land und ihre Einwohner zu erfahren. Einen Ausflug auf den bekannten Aussichts-punkt, den Monserrate, kam leider nicht zustande; ich bekam aber die Möglichkeit vom Dach des Astronomischen Instituts der Universidad Sergio Arboleda, einen Blick über die 8 Millionen-Stadt zu werfen:

Aussicht vom astronomischen Institut der Universidad Sergio Arboleda

Wenn ich in der Stadt zu Fuss oder mit dem Taxi unterwegs war, fielen mir immer wieder grosse Gegensätze auf.  Nur eins scheint überall in der Stadt gleich zu sein - der Verkehr: egal ob mit dem Trottinett oder mit dem überladenen Lastwagen, es sind alle Fahrmittel schnell unterwegs. Die laut dröhnende Musik ist auch eine Konstante aller öffentlichen Bereiche wie Kaufhäuser, Restaurant oder Bars.

Am Freitag 31. Januar ging es weiter mit unserem CAS. Ich besuchte den Unterricht zusammen mit den Kursteilnehmenden. Es ging um Projektmanagement und das Schreiben von technisch-wissenschaftlichen Berichten. Diese Inputs sollen die Kursteilnehmenden bei der Verfassung ihrer Zertifikatsarbeit unterstützen. Am Samstag stand dann ich vor der Klasse, um meine Unterrichtseinheiten über Geodäsie und Ausgleichungsrechnung zu halten. Bereits bei der Vorbereitung der Kursunterlagen aber auch beim Unterrichten unterstütze mich ein Kollege, Professor Andrés Cárdenas der Universidad Distrital. Da ich auf Unterstützung zählen konnte, falls mir passende Fachwörter fehlen sollten und ich die Kursteilnehmenden in den vergangenen Kurstagen bereits kennen gelernt habe, gelang es mir die Nervosität wegzustecken. Vor allem bei meiner Thematik war der sehr unterschiedliche Stand des Vorwissens der Anwesenden zu spüren. Ich hoffe ich konnte den Fachleuten etwas Zusätzliches mitgeben und den anderen mindestens die Grundsätze und Prinzipien näherbringen. Es war für mich auf jeden Fall eine sehr gute Erfahrung an die ich immer wieder gerne zurückdenken werde.

Unterricht von D. Salvini im Fach geodätische Statistik

Nach dem Unterricht brachte mich ein Taxi zum Flughafen: ein letztes Mal quer durch die Stadt, das erste Mal mit einem Taxifahrer der ganz ruhig und entspannt fuhr. Die richtige Einstimmung um den Heimweg einzuschlagen. Zurück zu meinem Alltag, dem ich wohl ab und zu mit etwas anderen Augen und kritischeren Blick begegnen werde. Als ich am Bahnhof aus dem Zug stieg, war es nicht so kalt wie bei der Abreise. Es fühlte sich sogar noch etwas wärmer an, nach der erfolgreichen Reise und dem kurz bevorstehenden Wiedersehen der Familie.



Autor: Dante Salvini, Professor für Geodätische Statistik und Ausgleichungsrechnung, Geodäsie und Ingenieurgeodäsie