Studierende berichten: Studium auf den zweiten Blick

Du stehst vor der Wahl zwischen Lehrstellensuche und Wechsel an die Kantonsschule? Das war meine Situation vor circa acht Jahren. Ich entschied mich für die Lehre als Zeichnerin EFZ Fachrichtung Ingenieurbau, denn Algebra und Geometrie waren meine absoluten Lieblingsfächer. Mein Plan war, möglichst schnell die Schule hinter mich zu bringen, um danach arbeiten zu können. Studieren werde ich sowieso nie, war damals meine feste Überzeugung. Und dabei tue ich genau das heute an der FHNW.


Während der Lehre besuchte ich auf Empfehlung vom Lehrbetrieb einen Vorbereitungskurs für die Berufsmaturitätsschule. Diesen braucht es, um ohne Eintrittsprüfung die Berufsmaturitätsschule zu besuchen. Nach den bestandenen Lehrabschlussprüfungen entschied ich mich, die technische Berufsmatura zu absolvieren, damit ich den Vorkurs nicht vergebens gemacht hatte. Und falls ich in ferner Zukunft vielleicht doch noch ein solches Diplom benötige, hätte ich es dann, dachte ich mir. Doch nach diesem Jahr Vollzeitschule hatte ich genug von der täglich anzuhörenden Theorie und war froh nach den bestandenen Prüfungen wieder arbeiten zu können.
Die Tätigkeit der Zeichnenden besteht darin, ein fiktives Bauwerk zu planen bzw. auf Papier zu bringen, damit es nicht zusammenfällt und die Leute auf der Baustelle wissen, was gebaut werden soll (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Der von mir gezeichnete Ausführungsplan (rechts), welcher als Grundlage für den hier ersichtlichen Abschnitt des Bauwerkes diente.

Es ist also eine interessante, aber auch sehr theoretische Angelegenheit. Gab es Konflikte mit der Arbeit vor Ort und dem geplanten Objekt, musste ich die Pläne gemäss den Angaben vom Ingenieur anpassen, ohne dass ich das Problem vor Ort sehen konnte.

Nach etwas mehr als einem Jahr dieser eher theoretischen Arbeit, hielt ich trotzdem wieder die Augen offen für eine Weiterbildung. Ich betrachte dies als eine gute Investition für die Zukunft. Die Richtung, welche ich mit meiner Lehre eingeschlagen hatte, war nicht falsch, aber manchmal schadet es nicht, seinen Wissenshorizont zu erweitern. Deswegen stellte ich mir die folgenden Fragen: Was sind das eigentlich für Betriebe, welche uns immer die Grundlagen für die neuen Projekte geben? Wer entwickelt diese Gleis – Geometrien, worauf wir unsere Projekte aufbauen? Wie macht man die beeindruckenden digitalen Geländemodelle (siehe Abbildung 2)? Nach einigen Recherchen konnte ich diese Fragen ziemlich genau beantworten. Die Daten stammen aus der Geomatik.

Abb. 2: Das ist ein Beispiel für ein digitales Geländemodell, welches aus dem Praktikum stammt. (Foto erstellt durch Lerch Weber AG)

 

An einem Informationsanlass der FHNW in Muttenz bekam ich ein Bild davon, was der Beruf Geomatiker/in alles beinhaltet. Nach diesem interessanten Abend auf dem schönen Campus in Muttenz, bestätigte sich meine Idee, dass dies das richtige Gebiet für meine Weiterbildung sein könnte. Da ich erst kürzlich von zu Hause ausgezogen war, wollte ich mich nicht überstürzt für dieses Studium anmelden. Gleichzeitig befürchtete ich, dass ich drei weitere Jahre nur Schule mit weiterer Theorie nicht überstehen würde.

So entschied ich mich für ein Praktikum, um den Alltag eines Geomatik Betriebes zu beschnuppern. Während dem Praktikum zeigte sich, dass ich bei der Berufswahl noch besser hätte aufpassen können. Die Geomatik ermöglichte es mir, das Büro während der Arbeitszeit offiziell zu verlassen, um draussen selber Geländeaufnah-men zu machen. Weiter könnte ich nun diejenige sein, die neue Fixpunkte setzt, währenddem ich vor dem Praktikum einfach vom Büro aus hätte darauf messen lassen.
Eine andere Aufgabe ist, von Anfang an einen Bau in der Praxis zu begleiten. Be-ginnend mit der Bauabsteckung, gefolgt vom Schnurgerüst, der Schalungskontrolle und den Gebäudeaufnahmen für die Daten der amtlichen Vermessung. Etwas Positives ist weiter, dass es nicht nur ausschliesslich Feldarbeit gibt, manchmal darf ich immer noch Pläne zeichnen.
Die Kombination von Feld- und Büroarbeit ist einfach super. Doch jedes Praktikum hat (leider) ein Ende. Da stellt sich für mich die Frage, wie weiter? Das war für mich nicht so einfach zu beantworten. Wäre es für mich eine Option, die Praxis für die Schule wieder hinter mir zu lassen? Diese Frage ist nur mit nein zu beantworten, denn es hat mich zu fest in den Bann gezogen. Die Möglichkeit für das Teilzeitstudium ist also optimal. Somit kann ich die Arbeitserfahrung gleichzeitig wie das schulische Wissen aufbauen. So werden wir zum Beispiel lernen, wie mit modernsten Hilfsmitteln komplexe 3D – Modelle hergestellt werden können (siehe Abbildung 3). Mit der Lehre als Zeichner/in hat man jedoch offensichtlich nicht dieselbe Ausbildung wie Geomatiker/innen und somit fachlich einiges aufzuholen.

Abb. 3: In Zukunft wird es vielleicht mir möglich sein, selber ein solches 3D – Modell wie dieses von Lostorf zu erstellen. (Foto erstellt durch Lerch Weber AG)

Obwohl ich eigentlich fest entschlossen war, nie studieren zu gehen und schnellst möglich die Ausbildung hinter mich zu bringen, bin ich nun Studentin. Während dem ersten Jahr besuchen wir Teilzeitstudierenden den Unterricht vom Montag bis Mittwoch und Donnerstag bis Freitag wird gearbeitet. Mir gefällt die Abwechslung zwischen Praxis und Studium bis jetzt sehr, aber die optimale Balance zwischen allen drei Leben (Schule, Arbeit und Freizeit) ist noch zu finden. Also nicht vergessen: Es ist nie zu spät, die Berufswahl zu überdenken und sich für den Studiengang Geomatik anzumelden.

Autorin: Flavia Ackermann, Studentin Bachelor in Geomatik im 1. Semester